Macht, Strukturen und Mut: Was Managerinnen heute wirklich erleben und was sich ändern muss
Wie frei fühlen wir uns wirklich, das auszusprechen, was wir denken, besonders dort, wo Macht, Geschlecht und Hierarchien aufeinandertreffen?
Diese Frage beschäftigt mich seit der Lektüre des Buches „Machtgebiete. Was Managerinnen erleben und wie sie gegenhalten“ von Anna Sophie Herken, Christina Sontheim-Leven und Bettina Weiguny (Campus Verlag, 2025).
50 Top-Managerinnen berichten darin offen über ihre Erfahrungen in männlich geprägten Machtgefügen: mutig, ehrlich und teilweise erschütternd. Gemeinsam zeichnen ihre Erzählungen ein Bild davon, wie tief alte Strukturen und unausgesprochene Regeln noch immer verankert sind – und wie dringend wir eine moderne, faire Arbeitskultur brauchen.
Was Managerinnen heute noch erleben
Das Buch beleuchtet zahlreiche Facetten der Realität weiblicher Führungskräfte:
• Mikroaggressionen und subtile Abwertungen
• Machtspiele, Vorurteile und strukturelle Hürden
• Strategien, mit denen Frauen gegenhalten und sichtbar bleiben
• Mutmachende Beispiele von Solidarität, Life Hacks und Netzwerken
Diese Mischung macht das Buch zu einem Spiegel unserer Arbeitswelt: Es zeigt, was funktioniert und was seit Jahrzehnten unverändert hakt.
Der Kern der Herausforderung: Strukturen statt Individuen
Ein zentraler Punkt des Buches ist ebenso simpel wie radikal: Strukturen ändern sich nicht von allein.
Noch immer tragen viele Unternehmen Machtmodelle in sich, die aus den 1950er Jahren stammen – entworfen für männliche Alleinverdiener, nicht für vielfältige Teams, komplexe Lebensmodelle und moderne Führungsansprüche.
Besonders inspirierend fand ich das Zitat von Ana-Cristina Grohnert:„Wir brau chen gerade in Zeiten des Wandels den Mut, nicht aufzugeben, sondern zu gestalten. Vielfalt sichtbar zu machen, heißt Haltung zu zeigen. Und Haltung ist das, was Unternehmen wirklich zukunftsfähig macht.“
Haltung – nicht Symbolik, nicht Kampagnen.
Haltung.
Was Gleichstellung kostet, wenn sie fehlt.
Die Autorinnen zeigen klar auf:
• Wo die Sollbruchstellen im System liegen?
• Welche Zahlen belegen, dass Fortschritt stockt?
• Und welche wirtschaftlichen Schäden Ungleichheit jährlich verursacht? – Schäden in Milliardenhöhe.
Ungleichheit ist also kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles und ein gesamtwirtschaftliches.
Mein Blick als Arbeitsrechtlerin, Wirtschaftsmediatorin und MHFA-Ersthelferin
In meinem beruflichen Alltag sehe ich täglich, wie eng gerechte Strukturen, psychologische Sicherheit und Innovation miteinander verwoben sind.Viele Jahre war ich Inhouse-Arbeitsrechtlerin, analytisch, strukturiert, lösungsorientiert und doch wuchs irgendwann die Erkenntnis: Recht allein reicht nicht. Konflikte sind menschlich. Sie lösen sich nicht durch Paragraphen, sondern durch Verständnis, Kommunikation und eine Kultur, die Sicherheit schafft.
Zugleich sehe ich, wie gefährlich Strukturen werden können, wenn sie Angst, Druck oder Machtmissbrauch begünstigen:
• Wer sich beweisen muss, bis zur Erschöpfung
• Wer unter negativer Führung leidet
• Wer Unsicherheit erlebt oder Angst vor Jobverlust hat
… wird langfristig krank.
Und Unternehmen verlieren genau die Talente, die sie so dringend brauchen.
Deshalb setze ich mich für eine Arbeitswelt ein,
• in der Recht nicht nur schützt, sondern verbindet,
• in der Konflikte frühzeitig gelöst werden,
• und in der mentale Gesundheit kein Tabu mehr ist, sondern Teil einer nachhaltigen Unternehmenskultur.
Frauen stärken Frauen oder auch nicht?
Ein wichtiges Thema im Buch betrifft uns Frauen selbst: Oft scheitert Gleichstellung auch daran, dass Frauen sich zu selten gegenseitig stärken und sichtbar machen.
Dabei wären genau diese Netzwerke entscheidend, um Räume zu öffnen, Türen aufzuhalten und Erfahrung zu teilen.
Ein Weckruf mit klarer Botschaft „Machtgebiete“ ist kein klassisches Führungsb s ist ein Weckruf für Unternehmen, Führungskräfte, Netzwerke und jede Person, die Verantwortung trägt.
Die Botschaft ist klar:„Change the system, not the women!“
Wir brauchen keine weiteren Coachings, die Frauen beibringen sollen, sich anzupassen. Wir brauchen Strukturen, die Vielfalt ermöglichen und fördern.
Was braucht es nun?
Die entscheidenden Fragen lauten: Wie erleben wir Machtstrukturen in unseren eigenen Organisationen?
Und was braucht es, damit Frauen nicht länger gegenhalten, sondern selbstverständlich gestalten können?
Ich freue mich auf den Austausch, denn Veränderung beginnt immer mit den Stimmen jener, die hinsehen, aussprechen und mutig vorangehen.
PS.: Ich danke für das Rezensionsexemplar.